Samstag, 21. Februar 2009




Die Erde, auf der wir stehen
Lars-Jűrgen Nordlund
Der Mythos vom technischen Fortschritt ist ein Irrtum
„Nur ein schlechter Bauer kauft Produkte, die er selbst zu Hause fertigen kann“. Dies ist ein altes römisches Sprichwort, das ich in einem finnischen Lehrbuch über Landwirtschaft aus den 50-er Jahren fand.
Ende der achtziger Jahre begann ich mich für die Selbstversorgung als Lebensart zu interessieren. Das ergab sich aus der Situation, daβ ich nach der Schulzeit meinen Platz in der herrschenden Gesellschaft nicht erkennen konnte. Mein Bedürfnis, mich an der Entwicklung unseres Lebensumfeldes zu beteiligen, stieß auf nagende Gewissensprobleme: kann ich an einer Entwicklung mitarbeiten, von der ich das Gefühl habe, daβ ihr die Basis fehlt?
Das war in Deutschland, wohin meine Familie mit mir und meinem Bruder im Jahr 1972 gezogen waren.
Die Selbstversorgung wurde für mich zum Synonym der Gewissensfreiheit. Das Herstellen und Anbauen von allem, was ich zum Leben brauche, ermöglichte mir genau das tun zu können, was ich für sinnvoll und richtig empfand. 1990 ging ich zurück nach Finnland. Nach den ersten Jahren Praxis verstärkte sich die Erkenntnis, daβ der Mythos von der Überlegenheit unseres technischen Fortschritts schwer verzerrt ist.
Die Landwirtschaft ohne Traktor, das Besorgen von Feuerholz aus dem Wald ohne Maschinen und das Arbeiten mit primitiver Technik zeigten mir das unverfälschte Verhältnis zwischen Arbeitsaufwand und Resultat. Die Verwendung von Ressourcen verändert sich stark, wenn man alles selbst beschaffen oder herstellen muß.
Ich fing an meine Beobachtungen theoretisch zu analysieren und daraus entstand 1991 eine Vortragsreihe, die ich mehrere Jahre im Winter in Finnland hielt. Dieser Artikel ist eine Zusammenfassung von diesen Vorträgen.
Später wollte ich mich dann vollständig auf die Praxis der Selbstversorgung konzentrieren und meine theoretischen Ergebnisse prüfen. Ich war überrascht, wie weit ich die Abhängigkeit vom Geld hinter mir lassen konnte. 13 Jahre lag mein Jahresbudget bei 30 bis 50 Euro. Meine Behauptungen über den Effizienzunterschied zwischen industrieller/ maschineller Produktion und Handarbeit bedurften nur weniger Korrekturen. Obwohl ich Jahr für Jahr mein Essen anbaue, Holz schlage, Wolle spinne und webe, habe ich genügend Zeit für Hobbies und das Leben mit Menschen. Anfangs war mein Weg der eines recht kompromiβlosen Einzelgängers, jetzt leben wir dieses Leben als Familie.

In diesem siebenteiligen Artikel behandele ich die Basis unsere Gesellschaftsordnung und ob sie für die Umwelt tragbar ist. Ich beginne mit dem Vergleich des Energieaufwands zwischen maschineller Produktion und der Handfertigung von Gütern. Darauf baut sich das nächste Kapitel über die schicksalhafte Verkettung zwischen Energie und Geldströmen auf. Danach folgen Betrachtungen darüber, was für eine Verbindung zwischen Gesellschaftsform und Energie besteht. Dabei komme ich zu Schlußfolgerungen, die uns zu denken geben müssen, ob wir nicht zu fixiert auf die staatsorientierte Gesellschaftsordnung sind.? Sie stellt nur eine Variante dar,, wie sich Menschen zu einer funktionierenden Gemeinschaft zusammenschließen können. Danach komme ich zu der Frage, wie wir aktiv zur Veränderung im Weltgeschehen beitragen können. In dieser Hinsicht blicke ich zugegebenermaßen mehr auf das, was notwendige Veränderungen behindert als auf die vielversprechenden Projekte, die daran arbeiten, aus dieser Welt eine stabilere zu machen.
Wir sind uns selbst eine Erklärung schuldig, warum uns nur das herrschende System trotz seiner Schädlichkeit für Mensch und Natur die größte persönliche Freiheit zu ermöglichen scheint.
Meine Schrift schließt mit einem Beispiel, was ein einzelner Mensch machen kann, ohne daβ seine Arbeit ohne Bedeutung bleibt.

Lars- Jürgen Nordlund, 20.12.2008





Die Erde, auf der wir stehen


I.) Menschliche Arbeit, Maschinen und Energie

In der Vergangenheit bedeutete Arbeit physische Leistung in der Sammel-, Jagd- und Agrarkultur. Es wurde Arbeitsenergie (im physikalischen Sinne) zur Beschaffung von Essen aufgewendet. Die Nahrungsenergie ermöglichte wiederum die Arbeit am nächsten Tag. Diese positive Bilanz von Nahrung- und Arbeitsenergie war lange Zeit die Grundlage menschlichen Lebens und machte den Menschen autark. Der sparsame Gebrauch von Rohstoffen hing in erster Linie nur von seiner begrenzten Arbeitskraft ab und wurde von keiner äußeren Energiezufuhr entscheidend verstärkt. Die Entwicklung von Technologie zielte in erster Linie darauf ab, mehr Energie aus der Natur für den Menschen verfügbar zu machen.
Alle Menschen sind auch heute noch abhängig von der Energie, die wir aus der Natur für uns sammeln. In der westlichen Welt macht das nur noch ein kleiner Teil der Bevölkerung. In Finnland sind es nur noch 4,5% (2003), die ihren Erwerb aus landwirtschaftlichem Anbau, Fischen, Jagen und der Tierhaltung bestreiten. Und selbst sie betreiben es nicht mehr von Hand: mit Hilfe von Maschinen wird die Nahrungsenergie indirekt erwirtschaftet, und das passiert mit Energieaufwand. In welchem Verhältnis steht diese, in Maschinen aufgewendete Energie zur eingebrachten Nahrungsenergie? Warum wird mehr als die Hälfte der importierten Primärenergie in der Land- und Waldwirtschaft verbraucht? Das sind die Bereiche, die einst unsere Netto- Energielieferanten waren!
Das energiewirtschaftliche Verhältnis zwischen physischer Arbeit und erarbeiteter Nahrung ist in der Zeit der Industrialisierung entscheidend zusammengebrochen. Wir verwenden die ganze Zeit Energie, die wir uns nie erarbeitet haben. Diese Differenz speisen wir in der Form von z.B. fossiler Energie in unser System ein. Gleichzeitig führen wir unserem Lebensraum Energie und Stoffe zu, die seinem ökologischen Gleichgewicht fremd sind.
Anders, als wir geläufig annehmen, ist es uns nicht gelungen, die Energiebilanz im Grunderwerb mit Hilfe von Technik und entwickelter Arbeitsteilung effizienter zu machen. Einen sieben- scharigen Pflug hinter sich herziehender Traktor sieht effizient aus im Vergleich zum Bauer, der mit Pferd arbeitet. Die Energiebilanz des Traktors ist aber unvergleichlich schlechter als die eines Gärtners, der nur mit einem Spaten Essen für sich anbaut. Beim Betrachten der Energiebilanz von angewendeter Technik müssen alle Faktoren in Betracht gezogen werden und nicht nur die Arbeitszeit des Bauers und der Brennstoffverbrauch während des Pflügens.
Um ein vollständigeres Bild vom realen energiewirtschaftlichen Nutzen zu bekommen, muß untersucht werden, wieviel Energie eine Maschine direkt und indirekt bindet. Dieser Energieeinsatz muβ mit der Energiemenge verglichen werden, die diese Maschine uns aus der Natur verfügbar macht. Diese Bilanz ist dann einfach zu vergleichen mit der Bilanz von einem oder mehreren Feldarbeitern, die mit Muskelkraft, Zeitaufwand und nur einfachem Werkzeug die gleiche Arbeit wie die der Maschine verrichten.
Die technologische Entwicklung hat ihren Ursprung darin, daß der Mensch Wege suchte, wie er seine physischen Beschränkungen umgehen könnte. Ein Stein zertrümmert mehr als er mit seiner bloßen Hand vermag, und mit einem Stock als Hebel kann er grössere Lasten bewegen. Mit ihrer Hilfe konnte er tatsächlich seine Energiezufuhr aus der Natur vergrössern, denn diese Hilfsmittel finden sich als solche in der nahen Umgebung. In dem Moment, wo der Mensch Rad und Wagen erfand, verschob sich seine Energiebilanz in unvorteilhafte Richtung, denn diese Hilfsmittel mußte er mit Zeitaufwand erst herstellen bevor sie ihm bei der eigentlichen Arbeit Zeitersparnis brachten. Der entscheidende Umbruch in der Technologie war die Erfindung von Dampfmaschine und Verbrennungsmotor. Spätestens zu diesem Zeitpunkt schlug unsere Energiebilanz ins Negative um.Wir verwenden jetzt mehr Energie in die Aufrechterhaltung unseres Lebens als was wir unmittelbar aus der Natur erwirtschaften.
Maschinen verbrauchen Energie während ihrer Lebenszeit in Form von Brennstoff und Wartung, aber auch in ihrer Fertigung und schließlich durch Müllbeseitigung und Recycling. Ihre Herstellung fordert um so mehr Energie, je weiter sie technologisch entwickelt sind. Das rührt daher, daβ sich bei ihnen eine größere Zahl an energieintensiven Vorarbeiten summieren und eine kompliziertere energieverbrauchende Infrastruktur erforderlich ist. Die Herstellung einer Maschine bedarf anderer Maschinen, die wiederum andere Maschinen benötigen... und so weiter. Wir erhalten auf diese Weise eine unendlich lange Liste von indirekten Energieaufwendungen für das Erlangen des Endproduktes. Und deren Summe ist immer kleiner, als was in Wirklichkeit in die Herstellung an Energie investiert wurde. Obwohl ein Computer von seinen Maßen her klein ist, steht er an der Spitze einer hohen Pyramide. Ihre Basis beinhaltet in vielen Ebenen Energieverbrauch, der angefangen von der Erzgewinnung seltener Metalle bis zu einem deckenden Straßennetz reicht.
Um ein solches Projekt zu koordinieren, ist Kommunikationstechnologie und eine zentralisierte und hoch arbeitsteilige Gesellschaftsform unverzichtbar. Alle diese Faktoren ziehen die Energiebilanz einer Maschine in den Minusbereich.
Diese verborgenen Energie- Investitionen erklären teilweise, warum unser Energiekonsum explosionsartig wächst, obwohl immer mehr technische Geräte „Energiesparer“ sind. Der technische Fortschritt verspricht uns sparsamere Technik, die mit neuem Aufwand an Technik erreicht werden soll. So schaffen wir neue Ziele, die Energie schlucken. Wir bewegen uns im Teufelskreis: unsere Bestrebungen, Energiedefizit zu verringern, führen gerade zu dessen Wachstum. Das zu sehen ist schwierig, denn der Begriff vom technischen Wirkungsgrad betrachtet ein Gerät isoliert von seiner Umgebung, die es verändert. Ein Traktor im Feldbau verdichtet durch sein Gewicht den Boden. Solch ein Boden fordert zusätzlich Energie beim Pflügen und für die Aufrechterhaltung seiner Fruchtbarkeit. Ebenso läßt der Wirkungsgrad Energieverbrauch in der Rohstoffgewinnung, Transport, Werbung und Wartung außen vor.
Ein bedeutender Anteil unseres verdeckten Energieverbrauchs entsteht als Folge vom Gebrauch technischer Lösungen. Sie bringen ein Ungleichgewicht in den Produktionszusammenhang ein, dessen Ausgleich Energieeinsatz in angegliederten Bereichen fordert. Zum Beispiel hat ein Mähdrescher Probleme mit dem Ernten von Getreide, wenn die Korngröβe zu stark schwankt. Das führt dazu, daß eine neue Getreidesorte gezüchtet werden muβ, was den Energieaufwand pro Nahrungseinheit steigen läβt. Ein Auto braucht zum Fahren Straßen. Der Bau der Straßen müβte somit in den Energieverbrauch des Autos mit eingerechnet werden.
Der Begriff vom „ökologischen Fußabdruck“ beschreibt das Ausmaß unseres Einwirkens auf die Umwelt vollständiger als der Wirkungsgrad. Leider kann auch er nicht das Grundproblem umgehen, daß der gesamte Energiebedarf bei der Herstellung von Gütern nicht annähernd errechenbar ist.
Unser Körper ist, besonders aufgrund seiner Flexibilität, von seinem Wirkungsgrad kaum zu überbieten. Wir brauchen keine Straßen, um uns fortbewegen zu können und klettern auch noch ohne Hilfsmittel auf den Baum. Die körperliche Leistung, die wir fortdauernd erbringen können, liegt bei ungefähr 60 Watt. Kurzfristig kann diese Leistung sogar um das 8-fache steigen. Nach einem schweren Arbeitstag haben wir 1 Kilowattstunde erbracht. Um das leisten zu können, müssen wir uns eine Mahlzeit von ungefähr 4 Kilowattstunden einverleiben.
Zusätzlich zum Energieinput in der Produktion bindet auch die maschinelle Produktion menschliche Arbeitskraft, die demzufolge in der Grundproduktion fehlt. In anderen Worten: die Arbeitskräfte in den Maschinenhallen müssen von anderen versorgt und ernährt werden. Die Menschen, die an Technik glauben, gehen davon aus, daβ diejenigen, die außerhalb der Grundproduktion arbeiten und beispielsweise Traktoren bauen, die anderen, Bauern, in der Grundproduktion indirekt durch ihre Gerätschaften effizienter arbeiten lassen. In Finnland ernährt jeder Bauer durchschnittlich 50 Menschen. Das erreicht er mit einem Energieeinsatz, der dem von 1500 Feldarbeitern entspricht (1987). Die Energiebilanz des modernen Bauers ist so gesehen 60 mal schlechter als die eines Steinzeitmenschen, der mit seiner realen Arbeitskraft in der Lage war, 2 bis 3 Menschen am Leben zu erhalten. Die Zeitersparnis durch den Gebrauch von Maschinen resultiert zum größten Teil nur aus einer Umverteilung von Arbeitszeit. Die, die früher auf dem Feld arbeiteten oder Fische fingen, arbeiten jetzt in Werkstätten und fabrizieren Fischernetze und Landwirtschaftsgeräte. Die Illusion von der Zeitersparnis stützt folgende Statistik: 1940 waren 50% der Bevölkerung in Finnland in der Landwirtschaft tätig. Bis zum Jahr 1988 ist ihre Zahl auf 8% geschrumpft. Dieser Prozentanteil von Menschen beschäftigt wiederum die Hälfte der Bevölkerung in der Weiterverarbeitung der Grundprodukte, in der Maschinenherstellung und im Transport.
Es ist auch aus einem weiteren Grund unmöglich, den exakten Energieeinsatz in der Herstellung von Geräten zu errechnen. Wenn wir die einzelnen Energieaufwendungen in der Produktionskette zurückverfolgen, kommen wir in die Situation, daβ eine Maschine Teile für verschiedene Produkte herstellt. Die Aufgliederung der Energieeinsätze je Produkt wird auf diese Weise unmöglich. Die Hersteller von sogenannten Energiesparlampen lassen bei ihren Effizienzberechnungen außer Acht, was diese Lampen an zusätzlichem Entsorgungsaufwand fordern im Vergleich zur traditionellen Glühlampe. Auch bedarf die Energiesparlampe einer längeren Produktionskette, die damit Energie fordert. Unsere heutigen Energiesparer sind in Wirklichkeit größere verdeckte Energieschlucker als ihre alten Vorgänger. Wirkliche Effizienz erreichen nur technisch simple Werkzeuge in der Grundproduktion, wie zum Beispiel das Spinnrad oder der (Holz-)Spaten. Je weniger Metall, desto besser.





Dieses Spinnrad funktioniert ohne Metall







II.) Die Verbindung zwischen Energie und Geld


Im vorangegangenen Kapitel verglich ich die Energiebilanz von Maschine und Mensch. Von diesem Ausgangspunkt eröffnet sich eine ungewohnte Perspektive auf das Geldwesen. Wie ist es der industriellen Revolution gelungen, die Welt zu erobern, obwohl ihre Energiebilanz verlustreich ist? Ein Tier wäre mit diesem Verhalten längst verhungert!
Die Frage, ob sich die Anschaffung eines Gerätes geldlich lohnt, sagt überhaupt nichts darüber aus, welchen energiewirtschaftlichen Nutzen dieses Gerät haben wird. Wenn es um die Anschaffung geht, rechnen wir, wann es sich geldlich amortisiert. In unserer Gesellschaft haben sich die Energiebilanzen verzerren können, als der Mensch vom Tauschhandel zur Geldwirtschaft überwechselte. Die Verwendung von Geld ermöglicht Vorgänge, die im Tauschhandel entweder nicht möglich sind oder keine Bedeutung haben.
Vor der Geldwirtschaft hat es zwischen körperlichem Arbeitseinsatz und dem erarbeiteten Resultat ein spezifisches Energieverhältnis gegeben. In einem Haushalt, der auf körperliche Arbeit basiert, kann das Arbeitsprodukt nicht beliebig gesteigert werden, weil keine anderen Energiequellen verfügbar sind. Im Tauschhandel wechseln Arbeitszeit und Energie die Seiten. Handel ist nur dann energiewirtschaftlich sinnvoll, wenn eine Person nicht oder nur sehr schwer das Benötigte selbst herstellen kann. Ein Geschäft abzuwickeln bedeutet Zeitaufwand, den Gebrauch von Transportmitteln und einen Anteil, den der Händler verdient. Was der Händler erhält, ist genau genommen die Entschädigung für seinen Arbeitsausfall im Grunderwerb. Alle diese Faktoren binden Energie und vermindern den energiewirtschaftlichen Nutzen, Tauschhandel zu betreiben.
Im Naturhaushalt ist der geldlose Tauschhandel in erster Linie ein Austausch zwischen zwei Personen, für die leicht erkennbar ist, ob ein Handel überhaupt sinnvoll ist, weil sie um den Energieaufwand der Güter Bescheid wissen. Durch Verwendung von Geld öffnet sich dieser Warenaustausch für viele Teilnehmer, die ihre Forderungen über Dritte verrechnen können, ohne daβ Waren verschoben werden müssen. Der Gebrauch von Geld macht Waren auf dem Markt nun über den Preis vergleichbar. Gleichzeitig verschwindet damit die Information der energetischen Bilanz der Güter, die notwendig ist für den Entscheid, ob ein Kaufabschluß energiewirtschaftlich sinnvoll ist oder nicht. Geld schafft im Gütertausch neue Gesetzmäßigkeiten, die im Tauschhandel nicht existierten.
In dem Moment, wo Waren preislich vergleichbar werden, also „auf den Markt kommen“, entsteht ein Wettbewerb um den Preis. Der zwingt die Produzenten, die Unkosten zu drücken. Das kann er in unserem Wirtschaftssystem am besten, indem er möglichst viel teure menschliche Arbeitskraft durch billiges Öl ersetzt. Ein Liter Benzin, der etwa 1 Euro kostet, entspricht von seinem Energiegehalt ungefähr 2 Wochen menschliche, physische Arbeit, die um die 1000 Euro kosten würde. Die Marktkräfte zwingen den Produzenten, soviel wie möglich Energie zu nutzen, die nicht von der menschlichen Arbeitskraft herstammt.
Dadurch, daβ bei der Herstellung von Waren menschenfremde Energie verwandt wird, koppelt sich der Preis der Ware von ihrem Ursprung, dem Arbeitseinsatz, ab. In sie fließt nun die Energie mit ein, die von außen eingebracht wird. Zur Zeit des Tauschhandels würde das den Tauschpreis heben, aber bei uns senkt sie den Preis der Ware! Heute sind die Preise von Waren viel zu niedrig und die Gehälter zu hoch.
Aus dem einfachen Tauschhandel, der energiewirtschaftlich sinnvoll war, ist mittlerweile eine Wirtschaft mit Selbstzweck geworden. Unsere globale Wirtschaft benötigt an ihrer Seite ein starkes Staatssystem zur Sicherung ihres Eigenlebens. Das gewaltige Energiedefizit, welches unsere Handels- und Staatsysteme unaufhörlich verursachen, können sie nur kompensieren, indem sie Energie importieren. Das ist die elementare Aufgabe der Wirtschaft in unseren Staatssystemen. Nur solange der Energieimport gesichert ist, bricht unsere Gesellschaft nicht zusammen. Geldtransaktion entspricht Energiefluβ!
Der Druck, Fremdenergie in die Produktion einzuspeisen, wirkt sich besonders verheerend auf die Energiebilanz der Grundproduktion aus, deren Produktivität biologischen Grenzen unterworfen ist. Ökonomen mögen von landwirtschaftlicher Überproduktion sprechen, aber sie beschreiben damit nur ein Überangebot an Produkten im Verhältnis zur Nachfrage. Ein realistischeres Bild von der Situation der Landwirtschaft ist, daβ wir inmitten der größten Unterproduktion in der Geschichte der Menschheit leben. Wir verwenden für eine Mahlzeit hundertmal mehr Energie auf, als der Mensch der Vergangenheit. Um den Marktpreis stabil zu halten, kann der Staat sogar einen Teil der sogenannten „Überproduktion“ vernichten, was die Energiebilanz unseres Lebens weiter verschlechtert. Die Landwirtschaft war früher die Instanz, die erneuerbare Energie in Pflanzenform für den Menschen verfügbar machte. Heute ist sie eine der größten Verbraucher von Energie.
Die Folgen des Zusammenspiels zwischen Energie und Geld traue ich mich so zu verallgemeinern: das, was wirtschaftlich rentabel ist, kann nicht umweltfreundlich sein und für das, was ökologisch gesehen notwendig wäre, gibt es keine wirtschaftliche Basis. Mit Subventionen wird versucht, diese Gesetzmäßigkeit zu umgehen, aber das Geld für Subventionen stammt aus den Bereichen der Industrie, die am meisten fossile und andere Energie in unser System einschleusen. Ein mit Subventionen gesponserter Ökoanbau ist genauso fragwürdig wie Naturschutz, für den Geld nur dann vorhanden ist, wenn die Wirtschaft Hochkonjunktur hat.
Der Gang unseres Wirtschaftssystems ist nicht umkehrbar, weil seine Grundvoraussetzung im Wettbewerb liegt. Wirtschaftswachstum ist die Folge vom Einspeisen von Energie in die Produktion. Unverfälschtes Wachstum entstünde aus der Fähigkeit, daβ der Mensch seine Arbeitskraft optimal in der Grundproduktion einzusetzen versteht. Wenn ihm das gelingt, hat er auch Zeit für anderes, was das Leben verschönt. Menschen, die im Naturhaushalt leben, können niemals solche Überschüsse produzieren wie die, auf die sich unsere Gesellschaft gründet. Ihr Wohlstand wächst nur dann, wenn sie es verstehen, ihre begrenzte Arbeitskraft gut an die gegebenen Naturumstände anzupassen. Dieses Energieoptimum ist gefährdet, wenn Druck ausgeübt wird, anders produzieren zu müssen als es von den Naturbedingungen her günstig wäre. Steuern, Direktive und Marktdruck verschlechtern im allgemeinen diese Effizienz.
Die als alternativ vermarkteten Energiequellen wie Solarzellen, Biotreibstoff, Wind- und Wasserenergie passen hervorragend als Innovationen in das Spiel unserer Wirtschaft. Eine echte Alternative sind sie aber nicht, sondern eher gefährlich, weil sie unsere Aufmerksamkeit von den Grundproblemen ablenken. Auch sie betrifft der indirekte und verdeckte Energieverbrauch von weit entwickelter Technologie. Selbst nach herkömmlichen Berechnungen liefern Solarzellen während ihrer Lebenszeit gerade mal so viel Strom, wie für ihre Herstellung aufgewendet wurde. Unser Hauptproblem ist keineswegs Energiemangel, sondern die Unfähigkeit eine Gesellschaft zu entwickeln, die mit ihren Ressourcen auskommt. Das Problem ist, daβ Energie zur Auswirkung konvertiert, die unsere Welt bis an ihre Regenerationsgrenze verändert.
Eine Frage, die genauere Betrachtung verdient ist die, ob unser Wirtschaftssystem ausdrücklich von einem steigenden Energieinput abhängig ist und kollabiert, wenn der Energiestrom auf gleichem Niveau verharren würde? Danach sieht es aus, denn wenn Energie nicht im steigenden Maße in die Herstellung von Gütern geleitet werden kann, fängt der Preis sich nach der eingebrachten Energiemenge zu richten, was die Grundlage des Tauschhandels ist. Ein auf diese Weise gebildetes Preisverhältnis würde den heutiger energiedefizitären Handel zum Stillstand bringen.
Es gibt keinen anderen energieeffizienten und fairen Handel als den geldlosen Tauschhandel über kurze Distanzen. Die Alternative des Biotreibstoffs lädt uns auf ein Gedankenexperiment ein: fühlt es sich sinnvoll an, mit dem Traktor erst Raps anzubauen, ihn dann zu Treibstoff zu veredeln, zurück in den Tank zu füllen, um dann mit dem Traktor Kartoffeln anzubauen? Als jemand, der sich mit Energiebilanzen beschäftigt hat, empfehle ich statt Traktor die Kartoffelhacke in die Hand zu nehmen. Auf diese Weise sorgen wir dafür, daβ wir mehr Energie vom Feld holen als wir zum Heben der Kartoffeln verbrauchen.




Der Tauschhandel bewegt weniger Waren







III.) Gemeinschaftsformen und ihr Energiehaushalt


Die Frage, welcher Lebensstil für die Natur auf Dauer tragbar ist, läβt sich auch indirekt angehen. Verhaltensforschung, Psychologie und Anthropologie können uns Anstöße geben, woher die zerstörerische Unvernunft stammt, die unsere Gesellschaft treibt.
Im Tierreich hat jede Tierart ihre eigene Natur, Herden zu bilden oder als Einzelgänger zu leben. In diesem artentypischen Zustand haben sie die besten Voraussetzungen zu überleben, was hauptsächlich auf eine positive Energiebilanz zurückzuführen ist. Auch der Mensch hat in seinen Erbanlagen Faktoren, die seine Populationsdichte zu steuern versuchen. Aggressivität versucht Abstand zwischen Menschen zu schaffen, wenn sie zu dicht zusammenleben. Unsere soziale Natur läβt uns Gesellschaft suchen, wenn es zu einsam wird. Unsere psychische Fähigkeit, mit Menschen in Verbindung zu stehen, entspricht ungefähr der Zahl von Menschen in einem Dorf. In der Stadt müssen wir entsprechend „abschotten“. Ohne äußeren Zwang würden die meisten von uns in Dörfern und Stämmen leben.
Wenn sich Menschen zusammenfinden und zusammenarbeiten, kann das einen günstigen Einfluß auf die Energiebilanz ihres Erwerbs im Naturhaushalt haben. Schon in einer größeren Familie müssen viele Arbeiten unabhängig davon, wie viele im Haus wohnen, nur einmal gemacht werden. Die Brennholzmenge, die wir brauchen, um die Stube warm zu halten ist die gleiche, egal, ob in der Stube ein Mensch oder fünf sitzen. Ein Spinnrad herzustellen ist eine größere Arbeit, für die mit einfachen Werkzeugen ein paar hundert Stunden nötig sind. Dieser Aufwand lohnt sich mehr, wenn viele es verwenden, um sich Kleider zu machen, als wenn es nur im Gebrauch von einer Person steht. Die Arbeitszeit in der Gemeinschaft, die nicht jeder nur für sich leisten muß, ist Freizeit und Vorteil gegenüber dem Leben als Eremit. Dieser Vorteil ist allerdings bedroht durch die Zeit, die das soziale Zusammenleben auf Kosten der Arbeitszeit fordert. Soziale Probleme zerstören nachhaltig die Arbeitsfähigkeit einer Gruppe. Wesentlich für das Funktionieren einer Gemeinschaft und ihre Energiebilanz ist, ob sie es schafft, ihr Arbeitsleben so zu gestalten, daβ der potentielle Vorteil des Zusammenlebens nicht durch soziale Konflikte aufgefressen wird. Wenn eine Gruppe Schritt für Schritt wächst, ist der zusätzliche Nutzen pro neuem Mitglied am größten in der Phase, wo sich die ersten zusammentun und schwächt danach schnell ab. Der Zusatznutzen vom Wachstum der Gruppe wird immer geringer, bis er sich schließlich zum Schaden wendet. In dem Moment muß sich die Gruppe aufspalten oder sie verliert ihre Lebensgrundlage.
Je größer eine Gemeinschaft wächst, desto mehr Ressourcen haben sie für ihr reibungsloses Funktionieren aufzuwenden. In einer kleinen Gruppe ist es möglich, während der Essenspause über den Arbeitsplan zu sprechen, aber in einer großen Gemeinschaft muß für diese Aufgabe eine Person von der energiebringenden Arbeit auf dem Feld freigestellt werden. Der Bote muß jetzt von anderen miternährt werden. Damit die Energiebilanz der Gemeinschaft nicht ins Negative abrutscht, muß seine neue Aufgabe indirekt die Arbeit der übrigen mindestens um den Anteil intensivieren, den er für seine Aufrechterhaltung braucht. Für diese Koordination von Menschen zur effizienten Zusammenarbeit müssen Staatsgemeinschaften ein umfassendes energieintensives Kommunikationssystem aufbauen. Schon alleine die Infrastruktur, die für unsere stadtzentrierte Gesellschaft notwendig ist, läβt unsere Staatsgesellschaft unrettbar ins Energiedefizit abstürzen.
Anders, als bei Tieren, zerbricht die Groβgesellschaft nicht unbedingt sofort an ihrer Energieverschwendung. Sie existiert, solange sie ihren Energiebedarf von woanders her decken kann und das macht unsere Gesellschaftsordnung naturgemäß zu einer kolonialistischen Gesellschaft. Zum Beispiel wird die Produktion von Biotreibstoff zum ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Problem in Malesien und Indonesien. Regenwald wird als Anbaugebiet von Palmkernöl vernichtet. Es werden Monokulturen geschaffen, und die Veredelung ist von Anfang an in den Händen von internationalen Konzernen. Der Treibstoff wird dann in die Industrieländer gebracht.
Für übergroße und zentralisierte Strukturen in Infrastruktur, Gesellschaft und in der Industrie ist ein Schneeballeffekt charakteristisch. Eine Einheit führt zur Entstehung von neuen ähnlich aufgebauten Einheiten (z.B. ein Industriekomplex braucht ein Kraftwerk, es werden mehr Arbeitskräfte benötigt, was wieder neue Infrastruktur fordert...). Das ist die Mechanik der Globalisierung, die ihren Namen verdient, wenn dieser Prozeß der Zentralisierung auf überstaatliche Ebene fortgeschritten ist. Diese großen und zentralisierten Funktionseinheiten sind auf Grund ihrer Struktur Energieverschwender, leben auf Kosten ihrer Peripherie, sind aggressiv und stellen ein ökologisches Problem aufgrund ihrer punktähnlichen Massivität im Ökosystem dar. Die Entwicklung von kleinen Einheiten zu Übergroßen wie z.B. von der Stammeskultur zum Staatssystem, oder Handwerkskultur zur industriellen Fertigung, geschieht wie von allein. Das Herunterfahren oder Abbauen von ihnen zu dezentralen Strukturen zurück ist selbst dann, wenn es den politischen Willen dazu gäbe, praktisch unmöglich.





IV.) Kulturwerte sind auch Erblast

Der Mensch verändert auch das, sich sehr langsam entwickelnde evolutionäre Gleichgewicht zu seinen Ungunsten. Wir verwenden große Mengen an Antibiotika und züchten dadurch immer schwieriger zu beherrschende Bakterienstämme. Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit entscheidet, wie schnell sich eine lebenskräftige Mutation vermehrt. Für 50 Generationen braucht der Mensch 1000 Jahre, während Mikroorganismen das gleiche in einem halben Tag schaffen und eine exponentielle Anzahl von Nachkommen aufweisen können.
Auf diese Weise schaffen wir uns eine Umgebung, in der unser Leben mehr und mehr von unserer Technologie abhängt, die Ressourcen verschlingt und anderswo Schaden hinterläßt. Irgendwann verlieren wir diesen darwinistischen Wettlauf; aller spätestens, wenn der Energiefluβ in unser System zum Stillstand kommt. Es kann sein, daβ es dann kaum noch Möglichkeiten zur Koexistenz mit der Natur gibt, selbst wenn wir es wollten.
Während der langen Evolution der Menschheit haben wir gelernt, uns instinktiv vor Tieren und Dunkelheit in Acht zu nehmen. Uns fehlt die entsprechende instinktive Vorsicht gegenüber der Art und Weise, wie wir unseren Planeten die letzten Jahrhunderte behandelt haben. Die organisierte Nutzung von Energie- und Rohstoffvorkommen läβt uns um ein Vielfaches stärker auf die Vorgänge in der Ökosphäre einwirken als jemals zuvor. Wir leben in einer Gesellschaft der „Möglichkeiten“ ohne intuitives Gefühl dafür, ob wir uns selbst gefährlich geworden sind.
Genau genommen wäre die einzige ernst zu nehmende Maßnahme unseres Staates zugunsten des Naturschutzes, sich selbst schrittweise aufzulösen und Dienstleistungen abzubauen. Zurück bliebe nur die Hoffnung, daβ die Menschen fähig wären, die Verantwortlichkeit für ihr Leben wieder in ihre eigenen Hände zunehmen. Das bevorstehende Problem ist, daß wir den globalen Schwierigkeiten nicht ausweichen können. Wir möchten uns an Scheinmaβnahmen klammern, aber wirklich relevante Maßnahmen würden unsere Wertvorstellungen weitgehend in Frage stellen. Von ihnen wären Einschränkung von Rechten, auf Gesellschaftskosten zu studieren oder auf Rente die kleineren Probleme sein.
Unser Kulturballast ist unser Moralverständnis, welches so menschenzentriert ist, das es uns kaum Wege zeigt, wie wir mit unserer Umwelt umzugehen haben. Die Überschrift einer Tageszeitung offenbart diese Einstellung: „Selbst ein einziges vom Wolf gerissenes Haustier ist zuviel!“.
Eine der größten Hürden für eine Veränderung stellt die Medizin dar, die uns Trost und Hilfe verspricht gegen unsere Schmerzen und Ängste. Wer akzeptiert die Entscheidung einer Mutter, wenn sie ihren Kindern keine Antibiotika gibt, weil sie nicht dazu beitragen möchte, daβ in der Zukunft mehr Menschen an antibiotikaresistenten Bakterien sterben? In unserer Gesellschaft, deren Credo ist, auf alles Einfluβ zu nehmen, was technisch möglich ist, ist unser Moralverständnis ebenso schrankenlos und auf unsere kurzfristigen Bedürfnisse zugeschnitten. Der Arzt muβ alles unternehmen, um einen Menschen am Leben zu halten und hat kaum Möglichkeiten, über die langfristigen Konsequenzen einer solchen Praxis zu spekulieren.
Naturvölker verwenden nicht ihre gesamten Ressourcen, um einen Menschen am Leben zu halten. Es würde ihre Existenz gefährden. Wir haben scheinbar die Freiheit dazu, denn wir zahlen den Preis nicht zu unseren Lebzeiten, sondern mit dem Leben der Menschen nach uns.



V.) Die gelähmte Demokratie auf dem Weg in die Diktatur


Unsere Staatssysteme, über die die Plünderung unserer Umwelt organisiert ist, werden immer mehr in die Situation geraten, sich als Garanten für Umwelt und Veränderungen darzustellen. Diese Rolle kann für sie aber nur zweitrangig sein in Bezug auf ihre Bestrebungen, sich die Energiequellen für ihre Aufrechterhaltung zu sichern.
Die Richtung, in deren Nähe sich unsere Weltordnung logischerweise bewegen müβte, wäre die von zunehmend diktatorischeren Staaten. Sie können scheinbar effizienter als Demokratien ökologische Reformen durchsetzen, nachdem bei den Menschen das freiwillige Verzichten auf Lebensstandard nicht gelungen ist. Allerdings wäre es voreilig, das Sinken des Lebensstandards in einer Ökodiktatur auf eine funktionierende Umweltpolitik zurückzuführen. Der Staat wird sich verknappende Ressourcen selbst zuleiten und zwischen Bürger und Staat wird sich um diese ein Konkurrenzverhältnis ausbilden. In der Praxis wird die Armee mehr Macht erhalten, denn ihre Krisenbereitschaft wird schon in Friedenszeiten aufgestockt werden. Auf diese Weise wird sie die Institution sein, die am längsten funktionsfähig bleibt und das selbst dann, wenn das internationale Finanzwesen zusammengebrochen ist. In einer Ressourcenkrise hat die Demokratie keine Möglichkeit, ihr Abdriften in den Totalitarismus zu verhindern.





VI.) Der Gesellschaftsvertrag


Unsere Gesellschaft ist hoch organisiert und deswegen sind Rechte und Pflichten der Bürger genau definiert. Im Rechtsstaat ist die Rechtsauslegung nicht willkürlich, sondern sollte im Einklang mit dem Grundgesetz stehen, in dem die menschlichen Grundrechte verankert sind. Diese Grundrechte sind so universell, daß sie unter Menschen unabhängig vom Kulturkreis eine breite Unterstützung finden. Dagegen ist die Legitimität des Staates als Schirmherr der Grundrechte fragwürdiger.
Der Gesellschaftsvertrag bedeutet einen Vertrag, nach dem die Volksvertreter ihre Macht von Menschen erhalten, die in einer unorganisierten Gesellschaft leben. In diesem Vertrag verzichtet der einzelne Mensch auf einen Teil seines Selbstbestimmungsrechts zugunsten der Gemeinschaft und erhält als Gegenleistung den Schutz der Gesellschaft.
Der Gedanke vom „Gesellschaftsvertrag“ stammt von Jean- Jacques Rousseau (1762), und auf ihm ruht die Legitimität auf staatliche Machtausübung. Dieser Vertrag wäre es wert, wieder genauer überprüft zu werden. Das Motiv des Einzelnen, mit anderen Menschen eine Gemeinschaft zu gründen, ist der Schutz, den die Gemeinschaft ihm gewährt. Wie ist unsere Gesellschaft legitimiert, wenn sie grundsätzlich nicht in der Lage ist, uns und unsere Lebensgrundlage (vor uns selbst) zu schützen?
Rechtlich genommen ist der Gesellschaftsvertrag gar kein Vertrag, denn uns Unterzeichnern fehlt die Freiheit, ihn auch nicht zu unterschreiben. In Wahlen geben wir unsere Stimme den Volksvertretern und stärken auf diese Weise das rechtlich schwache Fundament unserer Gesellschaftsordnung. An der Wahlurne schließen wir einen vertragsähnlichen Pakt zwischen Bürger und Staat. Durch den Zwang, unserem Staatssystem anzugehören, wird uns nur der kollektive Weg in die Zukunft erlaubt: entweder die gemeinsame Rettung oder der gemeinsame Untergang.
Als ich 1965 im Krankenhaus in Finnland zur Welt kam, habe ich diesen Vertrag wohl unterschrieben, ohne genauer nachgedacht zu haben.



VII.) Die unkontrollierbare Gesellschaft


Unsere Staatssysteme, müssen Schritt für Schritt ihre Macht über ihre Staatsgrenzen hinaus ausdehnen, um ihren explodierenden Energie- und Rohstoffbedarf sichern zu können Friedfertige Staaten verfolgen diese Interessen auf diplomatischem Wege und andere mit Hilfe von direkter Gewalt. Gemeinsam ist ihnen trotzdem, daβ sie gezwungen sind, immer größere Territorien kontrollieren zu müssen. Friedfertigkeit schlägt in Aggression um, wenn diese Ziele nicht diplomatisch erreicht werden können. Aus Prestigegründen wird ein friedfertiger Staat lange Zeit nicht offen aggressiv sein, sondern sich mit einem aggressiveren verbünden, um in dessen Fahrwasser an die notwendigen Ressourcen heranzukommen, ohne sich selbst die Hände schmutzig machen zu müssen. Das ist im Moment am Geschehen.
Die Achillesferse von unseren vertikal hoch entwickelten Gesellschaften ist ihre Abhängigkeit von stabilen Verhältnissen. Speziell die Bereiche um die Energieversorgung, Wirtschaft und innenpolitische Ruhe sind genauso wichtig wie das fast blinde Vertrauen der Bürger in ihre Gesellschaftsordnung und das Währungssystem. In Finnland hat die Waldwirtschaft in der Aufrechterhaltung unserer Ressourcen- hungrigen Gesellschaft eine so zentrale Rolle, daß ihr Schutz dem Selbstbestimmungsrecht des Waldbesitzers übergeordnet ist und undemokratische Elemente enthält. Ebenso haben die Bergbaugesellschaften in der Reform des Bergbaugesetzes im Oktober 2008 mehr Rechte bekommen, ihre Schürfrechte zu sichern und Rohstoffe abzubauen, selbst wenn sie Menschen heimatlos machen und Naturschutzgebiete angreifen.
Die zwingend notwendige Stabilität unserer Gesellschaft wird sowohl innen- als auch auβenpolitisch verfolgt und nach Bedarf auch mit Gewalt, was „zum Frieden zwingen“ genannt wird. Genauso, wie eine Monokultur glücken kann, ist sie ebenso vom totalen Fiasko bedroht, wenn sich ein paar, gerade auf sie spezialisierte Insekten auf ihr niederlassen.
Unsere Gesellschaft scheint mächtig und stabil, aber sie steht nur auf wenigen faulenden Stützen. Der Zwang, Risiken zu minimieren und zu kontrollieren, treibt unsere Gesellschaft in die Richtung eines Polizeistaates. Die Härte, mit der Kampf gegen den Terrorismus geführt wird, ist ein Zeichen für die Schwierigkeiten unserer Staatssysteme, Risiken zu beherrschen, die sie selbst verursachen.



Götterdämmerung




VIII.) Entweder Dezentralisieren oder Kollabieren lassen


In einer dezentralisierten Gesellschaft gibt es keine zentrale Regierungsgewalt, sondern viele voneinander unabhängige Kleingemeinschaften. In solch einer Gesellschaftsstruktur können die Aktivitäten von Menschen nie so dramatische Folgen für Mensch und Umwelt haben wie in unserer Gesellschaft. Das rührt daher, daβ es in einer dezentralisierten Gesellschaft nicht möglich ist, auf zentralisierte Energie- und Rohstoffströme zurückzugreifen. Sie begrenzen sich selbst auf einen niedrigeren Organisationsgrad als unsere expansiven Staatssysteme.
Um das explosionsgefährliche Potential in unserer Gesellschaft zu verringern, müβten wir schleunigst gesellschaftliche Abhängigkeitsverhältnisse abbauen und dezentralisieren. Für den Einzelnen bedeutet diese Umstellung sowohl neue Freiheiten als auch Beschränkungen. Bisher wurde unter der Entwicklung der Gesellschaft hauptsächlich die Bildung von groβen, homogenen und arbeitsteilig- hierarchischen Strukturen gemeint und bevorzugt. Klassisch ist der Vergleich mit Ameisen- und Bienenstaaten.
Auf die zunehmende Instabilität in unserer Weltordnung können wir so reagieren, daβ wir im Wettlauf um die Ressourcen den eigenen Vorteil in den Vordergrund stellen und hoffen, daβ wir zu den Gewinnern gehören. In dem Fall tragen wir zur weiteren Destabilisierung der Weltlage mit bei. Wahrscheinlicher ist aber, daβ wir nicht zu den Gewinnern gehören und dann sollten wir schon aus ethischen Gründen darüber nachdenken, welcher Weg den geringeren Schaden Mensch und Natur zufügen.
Das Dezentralisieren wird große gesellschaftlich Instabilität zur Folge haben, aber der zu erwartende Kollaps wird unsere Gesellschaft irgendwann auf jeden Fall dezentralisieren und zersplittern lassen. Entweder bereiten wir diese Fahrt vor und mildern den Aufprall ab oder es passiert als blutiger Zusammenbruch, weil wir im Glauben an den technischen Fortschritt Zeit verschenkt haben. Der ewige Traum von der technischen Wundermaschine, die uns gratis umweltfreundliche Energie und Wohlstand schenkt, findet sich schon im alten finnischen Nationalepos Kalevala.
Es kann sein, daβ nur ein Zusammenbruch vom internationalen Wirtschaftssystem der endgültigen Ausplünderung unseres Planeten ein Ende setzen kann. Wir sollten energisch alternative Lebensformen entwickeln und fördern, die in der Grundproduktion arbeiten. Sie sollten vor allem in der Nahrungsbeschaffung die Selbstversorgung anstreben und möglichst wenig von Geld abhängig sein. Wenn die allgemeine Ordnung Risse zeigt, bleiben wenigstens sie funktionsfähig. Selbstversorgerhaushalte und -gemeinschaften sind nie unnötig, selbst wenn es nicht zu einem Zusammenbruch kommen würde. In ihnen hat der Mensch die Möglichkeit umweltschonend zu leben.
Der Ausstieg aus der Konsumgesellschaft ist eine verhältnismäßig sanfte Art, aktiv zu werden; sie ist moralisch leicht zu begründen und wird sozial recht gut akzeptiert. Der Ausstieg ist von allen schweren Pfaden einer der leichtesten, die wir als Menschen beschreiten können, die ihre Kultur und Wertvorstellungen mit sich herumschleppen.
Wenn wir die materielle Selbstversorgung stärken, so bedeutet es auch, daβ wir gedanklich unabhängiger werden. Autonomie bedeutet eine große Skala an Fähigkeiten zu besitzen, die nicht in den Besitz von Universitäten oder Unternehmen abfließen. Die freie Forschung zum Wohle der Menschheit ist ein schöner Mythos, von dem wir uns weit entfernt haben, falls wir ihn jemals überhaupt praktiziert haben. Die Universitäten investieren in wirtschaftlich lohnende Forschung und betreiben die Monopolisierung des Wissens in Zusammenarbeit mit anderen Interessengruppen. Initiativen, die nicht auf Profit arbeiten, bleiben meistens in Abhängigkeiten gefangen, die wertvolle Arbeit über Nacht beenden können. Autonomie hat zur Folge, daβ Wissen und Fertigkeiten aus Wettbewerbsgründen nicht verschwiegen werden brauchen. Die geistige Erbschaft der Menschheit kann frei genutzt werden, ohne daβ Patent- und Urheberrecht sie zügeln. Wir brauchen unser gesamtes geistige Kapital, um in der Krise überhaupt etwas Vernünftiges tun zu können. Humanismus ist leicht zu praktizieren, wenn Menschen im Überfluß leben. Er wird schnell vergessen, wenn Menschen in Not geraten. In einer Gesellschaft, die auf Selbstversorgung aufbaut, haben humanistische Werte eine Chance zu überleben.















VII.) Erfahrungen in der Selbstversorgung


Wenn ich die globale Lage als auch die Möglichkeiten der Menschen betrachte, komme ich zur Auffassung, daβ die wirkungsvollste Art die Welt zu verändern, in den Händen der Menschen selbst liegt und nicht in den Korridoren der Institutionen. Allmächtig ist dieser Weg nicht, aber wir haben kein besseres Rezept in Aussicht.
Ich habe die extremste Form der Selbstversorgung in den Jahren 1992- 2004 in Nord- Karelien, Finnland praktiziert. Die Art, wie Menschen in der Selbstversorgung arbeiten, ist ähnlich, unabhängig davon, ob sie in Finnland oder im Dschungel des Amazonas leben.
Ein Mensch braucht überraschend wenig Land zum Anbauen, um sein gesamtes Essen für das ganze Jahr zu erwirtschaften. Es reichen dazu ungefähr 5 Ar (500 Quadratmeter), falls man fleißig Pilze und Beeren sammelt. Pilze esse ich jährlich um die 200 kg, die ich zum größten Teil trockene. Beeren sammele ich etwa die gleiche Menge, die ich mit einer besonderen Technik in Gläsern konserviere, die weder auf Sterilisation noch auf den Zusatz von Zucker oder anderen Stoffen beruht. Das regelmäßige Umdrehen der Gläser reicht und sie halten sich frisch und süß über Jahre..
In meiner Arbeitspraxis, wo ich keine Maschinen benutze, versuche ich, die gesamte Produktionskette abzudecken. Um Kleidung zu machen, baue ich auch das Spinnrad und versuche möglichst auch die Werkzeuge zum Bau des Spinnrades selbst zu fertigen.
Der gesamte Gartenbau fängt im Auβenklo an, wo ich auch die Haushaltsabfälle sorgfältig kompostiere. Das Wenden des Bodens besorge ich mit einer Grabgabel. Das Brennholz hole ich aus dem Wald mit einer Karre und säge und spalte es mit der Axt. Die Herstellung von Kleidern beginne ich mit der Schafschur oder mit dem Flachsanbau. Den Faden spinne ich selbst und verwebe ihn zu Stoff. Faden aus Flachs verwende ich hauptsächlich für Netze und Reusen im Fischfang. Körbe flechte ich aus Weide.
Routinierte Selbstversorgung auf dieser Ebene ist durchschnittlich ein Halbtagsjob, wenn ich die Arbeitszeit auf das gesamte Jahr gleichmäßig verteilen würde. Fleischkost ist nicht unbedingt nötig. Ich bin mit der Zeit wieder zum Vegetarier geworden. Falls ein See vorhanden ist, ist Fischen vom Energieaufwand vorteilhafter als die Tierhaltung. Jagd dürfte ihre Bilanz im Mittelfeld zwischen Fischen und dem Halten von Tieren finden. Wenn wir Tiere halten, benutzen wir sie als ein Mittel, Energie aus der Natur zu sammeln, die wir als Fleisch nutzen (siehe Kapitel 1). Die Tierhaltung, ausgenommen die traditionelle Rentierwirtschaft der Lappen, ist hier im Norden meistens nicht sinnvoll, weil wir den langen Winter mit Futter überbrücken müssen, dessen Beschaffung im kurzen Sommer viel Arbeit fordert. Mit dem gleichen Arbeitseinsatz im Garten kann ich mehr Energie erwirtschaften mit dem Anbau von Gemüse, als in der Tierhaltung durch Fleisch. Auf der anderen Seite sind Wolle und Leder überragende Kleidungsmaterialien, deren Ersetzen durch andere Materialien viel zusätzliche Arbeit bedeutet. Was die Bilanz der Tierhaltung gegenüber dem Naturhaushalt verschlechtert ist, daβ Tiere den Arbeitsrhythmus stark zur Regelmäßigkeit zwingen. Das kann dort Probleme verursachen, wo die Arbeitsresultate sehr vom Wetter abhängen. Das Gelingen im Naturhaushalt hängt entscheidend davon ab, wie sorgfältig man mit seiner Arbeitszeit umzugehen versteht.
In diesem Essay habe ich nicht die Verwendung vom Pferd in der Grundproduktion behandelt. Das Pferd wird als eine Selbstverständlichkeit im traditionellen Kleinbauerntum angesehen, der in vielem der Selbstversorgung ähnelt. Aber die Pflege vom Pferd ist keine Nebensache und friβt leicht den Nutzen auf, den ein Pferd am richtigen Platz haben könnte. Im Leben mit der Natur ist wichtig, Risiken zu minimieren. Tiere bringen immer Überraschungen mit sich, auf die man gefaβt sein muβ. Damit man mit dem Pferd arbeiten kann, muβ der Boden von Steinen und Wurzeln befreit sein. Das Pferd braucht Geschirr und Geräte, die der Gärtner nicht braucht und deren Herstellung gewöhnlich nicht mehr zu Hause gelingt. Ich habe keinen Grund gefunden, ein Pferd zu brauchen, aber viele Gründe dafür, es nicht anzuschaffen.
Ich vermute, daβ das Pferd in Finnland aus dem Grund in die Landwirtschaft integriert wurde, weil der Bauer nicht frei war. Besonders durch Besteuerung war er gezwungen unverderbliche Produkte zu erbringen wie z.B. Teer und Getreide. Für die schwere Arbeit des Teerbrennens wurde die Kraft eines Pferdes im Winter gebraucht, und einmal angeschafft, war es sinnvoll, das Pferd auch im Sommer in der Landwirtschaft zu beschäftigen. Das Leben des Bauern war schwer, denn er konnte sich in seinem Arbeitsleben nicht optimal die Gegebenheiten von seinem Lebensumfeld zu Nutze machen. Er mußte gewöhnlich anderen Bedingungen folgen als der Natur und ihrem Rhythmus und dem Arbeitstakt seines Körpers. Aber auf seinen Schultern ruht die menschliche Gesellschaft, und deswegen wurde der Bauer immer besonders gezielt in Abhängigkeit zur Obrigkeit gehalten.




Zum Schluß


Die Kluft zwischen dem unbekannten Kurs, dem unsere heutige Gesellschaft folgt und den wohlbekannten Wegen der alten Agrar-, Sammel- und Jagdkulturen, ist offensichtlich. Wann kommt die Zeit zuzugeben, daβ wir nur vom jahrtausendelang praktizierten Naturhaushalt zuverlässig wissen, das er mit der Natur im Gleichgewicht stehen kann und unsere Lebensgrundlage nicht fundamental schädigt?
Alles, was wir jetzt mit unserer Technik zu retten versuchen, ist wieder ein neues Experiment mit ungewissem Ausgang. Wir brauchen keine neuen Forschungen, denn wir wissen bereits, welchen Lebensstil unser Planet verträgt.
Geistige Trägheit und unsere Fähigkeit, uns selbst das einzureden, was auch immer wir glauben möchten, trennen uns vom Verstehen der Lage. Die schrankenlose Experimentierlust des Menschen kreiert die merkwürdigsten Ideen, wie wir das globale Problem vom globalen Energieinput lösen können. Manche Forscher arbeiten an der industriellen Abscheidung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre, um es unter die Erde zu pumpen. Das geschieht mit Energie und Ressourcen. Der leise Verdacht am falschen Kurs unseres Schiffes veranlaβt immer einen Teil der Menschen, die Fahrtgeschwindigkeit noch weiter zu erhöhen. Das Faktum, daβ die Menschheit ohne Motoren ausgekommen ist und trotzdem Hochkulturen geschaffen hat, interessiert sie nicht.

Lars- Jürgen Nordlund
Der Autor ist Bauer, arbeitet an Gemeinschaftsprojekten mit und ist Familienvater
lj. nordlund at gmail. com

( Dieser Artikel darf frei weitergegeben und verwendet werden. Übersetzungen sind von mir erhältlich in den Sprachen Finnisch, Englisch und Italienisch.)